Derry ~ Londonderry – über den Symbolgehalt von Namen und Sonderzeichen
Christine Dölker |
Derry oder Londonderry?
Tatsächlich macht es einen Unterschied, welchen Namen man für die unweit der Grenze zur Republik Irland gelegene Stadt gebraucht. Während katholisch-republikanisch gesinnte Iren und Nordiren den Namen Derry bevorzugen, so steht für die protestantisch-unionistische Bevölkerung fest, dass die Stadt richtigerweise Londonderry zu heißen hat – und das bereits seit 1613.
Ein Blick zu den irischen Nachbarn im Süden zeigt – die Ortsnamen werden dort sowohl auf Englisch als auch auf Gälisch wiedergegeben.
Mehr noch: nach Erlangung der Unabhängigkeit von der britischen Krone erhielten Orte, deren Namen zu Ehren der Monarchen geändert worden waren, ihre ursprünglich gälischen Namen zurück: aus Kingstown südlich von Dublin wurde nun wieder Dun Laoghaire, aus Queenstown (deren Hafen die Titanic 1912 als letzten auf ihrer Fahrt anlief) wurde nun wieder Cobh.
Wie also mit zwei Städtenamen umgehen, die beide zulässig und auch in kartografischem Material schwarz auf weiß lesbar sind? Sichtlich darum bemüht, damit und mit dem historischen Erbe der Stadt überein zu kommen, scheidet sich die Frage am Sonderzeichen zwischen den beiden Namen.
Einen der beiden Namen in Klammern zu setzen, diese Option entfällt hinsichtlich der ideellen Gleichwertigkeit. Das „&“ wie auch das „+“ scheiden ebenfalls aus, denn – so ist man sich einig – trotz ihrer wechselvollen Geschichte handle es sich doch um EINE Stadt. Die lange Zeit gängige Methode des Schrägstriches „/“ zwischen den beiden Namen wird mittlerweile ebenfalls kritisch gesehen, man „empfindet“ ihn als eher trennend denn verbindend.
Welches Satzzeichen, welches Symbol soll es also sein, das die Gleichwertigkeit beider Namen und die Einigkeit der Stadt verbindet?
Ein Blick auf die Tastatur verrät es: die Tilde.
Und so wird aus Derry / Londonderry in jüngster Zeit eben vermehrt Derry ~ Londonderry.
Insofern verwundert es auch nicht, dass ausgerechnet in der Stadt, die sich als Einzige Irlands mit einer 1613-1619 errichteten und vollständig erhaltenen Stadtmauer brüstet, das beeindruckendste Bauwerk des 21. Jahrhunderts eine Brücke ist.
Betrachtet man die sogenannte „Peace Bridge“ aus der Vogelperspektive, man ahnt es schon, entspricht ihr Verlauf dem einer Tilde.