Botschaft

To whom it may concern

 

The historic French embassy in Saarbrücken, capital of the former Saar state, is an outstanding testimony of the emerging European Community of Coal and Steel.
The building was meant to be an architectural expression of friendship between nations, a symbol of confidence in a peaceful future and a prosperous relationship between neighbors, right on the border.
Today, the historic monument, which is owned by the Saarland, is threatened by decay.

Zahlreiche Menschen haben sich für den Erhalt des „Pingusson-Baus“ eingesetzt, wie die Saarbrücker Botschaft heute vereinfachend nach ihrem federführenden Architekten Georges-Henri Pingusson genannt wird.
1950 bis 1955 geplant, errichtet und ausgestattet als Botschaft Frankreichs im Saarland von der französisch-saarländischen Architektengemeinschaft / Architectes associés Pingusson-Schultheis-Baur, wurde sie dreißig Jahre später in der ursprünglichen Funktion als Denkmal ausgewiesen.

An einer Erhaltung bestehe, so ist es im Schreiben des Staatlichen Konservatoramtes an den Minister für Kultus, Bildung und Wissenschaft am 23. Juli 1985 zu lesen, ein öffentliches Interesse aus geschichtlichen, künstlerischen, wirtschaftlichen und insbesondere städtebaulichen Gründen (…). Der Denkmalschutz erstreckt sich auf die Anlage als Ganzes, die Gebäude, die Ausstattung (Einrichtung aus der Erbauungszeit) und die Umgebung.

 

Cour d’honneur, ca. 1955, Priv. Slg.

Laut Denkmalschutzgesetz sind die Eigentümerinnen und Eigentümer, in diesem Fall das Saarland, dazu verpflichtet, ihre Baudenkmäler zu erhalten, instand zu setzen, sachgemäß zu behandeln und vor Gefährdung zu schützen.

 

Vor der Schließung, Fotos: die arge lola

Im Jahr 2023 steht eben dieses Gebäude auf der Roten Liste des Verbandes deutscher Kunsthistoriker. Noch zehn Jahre zuvor hatte das Ministerium für Bildung und Kultur, das seit 1960 hier untergebracht war, an diesem symbolischen Ort das 50. Jubiläum des Elysée-Vertrags mit Kulturveranstaltungen und Studentenworkshops grenzübergreifend gefeiert. Der französische Nationalfeiertag wurde hier gemeinsam begangen.
2014 stand das Gebäude leer, und das tut es zu großen Teilen auch heute noch.

Ehrenhof mit Haupteingang, Straßenseite, Foto die arge lola, 2021

… L’entrée principale se trouvera dans l’axe de symétrie de cette cour d’honneur et conduira par un vaste hall de réception (galerie) aux pièces de l’Ambassadeur…
zit. nach einem Text der
Architectes associés Pingusson-Schulteis-Baur 1951 (Projet descriptif de la construction)

 

Ausgang zum Ehrenhof, Foto Serge Ecker, Februar 2023

Die repräsentative Gesamtwirkung lässt sich nur noch erahnen, fasst der Kunsthistoriker Matthias Bruhn im Frühjahr 2022 zusammen, Verwahrlosung macht sich breit. Kaum jemand ahnt, dass es sich um ein ehemaliges Botschaftsgebäude handelt, schon weil kaum jemand in Saarbrücken eine Botschaft erwarten würde.

vorher, nachher:

Fotoserie 1                    

Fotoserie 2                  

 

Verwaltungstrakt, Foto: die arge lola, 2013

Die A 620 schneidet die Anlage von ihrer Umgebung ab, die stark befahrene Straße ist zu einer unüberwindlichen Hürde geworden. Die Bundesautobahn, die nach 1956 am linken, Frankreich zugewandten Saarufer errichtet wurde, teilt die Stadt in zwei Hälften.

Blick auf das linke Saarufer und die Westspangenbrücke, dahinter die Botschaft

Nur ein paar hundert Meter zu Fuß sind es von „unserem Gebäude“ zur Regierungsmeile am selben Saarufer mit dem Landtag (errichtet im Auftrag der Casino-Gesellschaft 1866), dem Landgericht (1920-1935 Sitz der Int. Kommission des Völkerbundes) oder dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit (errichtet als Reichsfinanzamt 1936/1937, ab 1945 Sitz des Gouvernement militaire, dann Haut Commissariat).

Landgericht

Ministerium

Blick vom Landtag auf das Staatstheater

Auf der gegenüberliegenden Saarseite – getrennt vom Fluß, der Autobahn und der Hochwasserumfahrung – liegt ein weiteres Denkmal, das Staatstheater (errichtet als Gau- oder Grenzlandtheater 1936/37).
Zusammen mit dem „Pingusson-Bau“ sind sie Teil ein- und derselben historischen Stadtlandschaft, die dem Hin und Her der Grenzen und dem Aufbruch nach Europa zwischen Krieg und Frieden selbst ein Denkmal setzt.

Mahnmal 1870/71, 1914-1918, 1939-1945, ebenfalls linkes Saarufer

Das Saarland und seine Nachbarn sind nach 1945 Schritt für Schritt vom Rand in die sichere Mitte Westeuropas gerückt, die Brennpunkte liegen heute anderswo.

Landtag

Nicht von ungefähr sind in der Verfassung des Saarlandes seit den 1990er Jahren die Förderung der europäischen Einigung, das Eintreten für die Beteiligung eigenständiger Regionen an der Willensbildung der Europäi­schen Gemeinschaften und des vereinten Europa, die Zusammenarbeit mit anderen europäischen Regionen und die Unterstützung grenzüber­schreitender Beziehungen zwischen benachbarten Gebietskörperschaften und Einrichtungen festgeschrieben. (Art 60 (2))

Es ist schon seltsam, dass die Zukunft gerade jenes Denkmals ungewiß ist, das wie kein anderes ein Symbol für den friedlichen Neubeginn unter europäischen Vorzeichen ist.
Vielleicht sind die Verletzungen aus drei Kriegen zwischen Nachbarn und die Folgen der Volksabstimmungen von 1935 und 1955 doch noch nicht überwunden? Die Erinnerungsarbeit ist nicht immer einfach und mehr denn je auf privates Engagement angewiesen.

Aber auch vor dem Hintergrund einer „europäischen Saar“ im Rahmen der Saarabstimmung kommt der Region eine enorme Bedeutung zu. Das Potenzial sieht leider niemand in den fernen Städten Berlin, Paris und Brüssel. Da verfällt ein kulturhistorischer Bau wie die Französische Botschaft, weil das Saarland kein Geld dafür aufbringen kann und will. Warum können weder Berlin noch Paris und Brüssel Gelder in den Erhalt des Gebäudes frei machen und darin z. B. eine Dauerausstellung über „Europa an der Saar“ zeigen ? Oder die Gräber von 1870/ 71 auf beiden Seiten durch einen Wanderweg verbinden ? Da reden wir nicht von Millionen, noch nicht mal von hunderttausenden von Euros. So ein Wanderweg verschlingt keine Unsummen und trotzdem kann er mehr erreichen als irgendeine in Brüssel getroffene Verordnung. Soweit Dominik Sand im Februar 2023 (demnächst wird sein Beitrag zum Blog erscheinen).

Il s’agit donc d’une entreprise de paix. Le véritable esprit européen est la prise de conscience des réalités, des possibilités et des devoirs, en présence desquels nous nous trouvons placés les uns et les autres, par-dessus les frontières, au-delà de nos antagonismes et de nos ressentiments.

Robert Schuman, Pour l’Europe, Paris 1963 (1. Aufl.), p. 2

Außenansicht, Detail aus dem Panorama, Botschafterzimmer mit zugehängtem Fenster, Foto von Serge Ecker, Februar 2023. Die Architektengemeinschaft schreibt 1951: Le bureau de l’Ambassadeur constituera le trait d’union entre les deux blocs principaux qui seront ainsi reliées organiquement, mais de telle sorte que les fonctions de chacque partie ne se gêneront pas mutuellement et conserveront leur autonomie.

Zuletzt überarbeitet am 08.02.2023, mit Dank an Serge Ecker, Luxemburg, für die neuen Fotobeiträge.