Hörstück

„Bank“ – Installation aus Baumstämmen und Glasscherben, Jardin de la Paix, Bitche (2002)

Zusammengefasst sind im Hörstück die Texte von zwei Autoren. Der eine Text, in deutscher Sprache mit französischen Ergänzungen, stammt von mir. Der ursprüngliche Titel lautete Nous nous refusons au fatalisme. Alphonse Walter hat ihn kürzlich zum ersten Mal öffentlich gelesen, au Casino de la Faiencerie à Sarreguemines.

Der andere Text, auf Platt, geht auf Alphonse aus Goetzenbrück, Pays de Bitche, zurück. Es ist ein Gedicht über seine Großväter mit dem Titel Opa hat dr Sieg verlor‘. Es geht um die Vorfahren, die im Ersten Weltkrieg auf deutscher Seite gekämpft haben. Alphonse hat es in ihrer/seiner Mundart in meinen Text im Januar 2023 „eingewebt“. Hier ist das Ergebnis:

So ist ein Hörstück im / über das Grenzland zwischen Deutschland und Frankreich entstanden, das seinen jetzigen, gemeinsamen Titel – SeilwanderungAlphonse verdankt.
Es ist nicht mehr und nicht weniger als ein Experiment.

Merci Alphonse, pour la lecture ici, mais aussi recemment en public.

Die Stimme und ihr Klang gehören zu der Landschaft, in der wir uns hier bewegen, wie die Idée Europe von Robert Schuman.

Schlachtfeld August 1870, Guerre franco-prussienne, Western front WW II, heute Binnengrenze im Schengen-Raum

Schuman bezeichnete sich selbst als „homme de la frontière“ (in etwa: Mann der Grenze, Grenzmensch). Sein Buch Pour l’Europe ist 1963 erschienen, im selben Jahr, in dem der Elysée-Vertrag am 22. Januar die deutsch-französische Freundschaft besiegelt hat.

Seit dem 24. Februar 2022 verändert der Krieg in der Ukraine den Blick auf Europa, seine Grenzen, Geschichten und Ideale – und damit auch auf die ehemalige Pufferzone links vom Rhein, die Großregion/Grande Région, un patrimoine né de la guerre (Francois Reitel) / für manche das größte militärische Freilichtmuseum der Welt. Von hier aus gesehen ist die Communauté Européenne du charbon et de l’acier / Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, die hier ihre Wurzeln hat, ein Kulturgut, das der Krieg erschuf (Anja Reichert-Schick).

„Europa ist eine Tatsache, die dadurch wird, dass man sie schafft. Mit dem – einem Schweizer nicht unvertrauten – Zusatz: dass man sie will. Fraglos ist Europa nur als Erinnerungs- und Erfahrungsgemeinschaft denkbar – mit der Besonderheit, dass es Erinnerungen sind, die uns gründlich genug trennen mussten, bevor sie uns verbanden, und dass die Erfahrungen solche von Gegensätzen waren, die unüberwindlich schienen. Und doch wurden sie überwunden, aber nicht von Berechnenden, sondern von Erschütterten. Für mich als schweizerischen Europäer bleibt die deutsch-französische Versöhnung das noch immer solidere Wunder als das Ende des Kalten Kriegs.“

Adolf Muschg, „Kerneuropa“, in: Allmende 72/2003, S.12

Dreiländereck / pays des trois frontières, Relikte des Krieges, reliques de guerre, Fotografie: die arge lola/regiofactum

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